Sonntag, 20. September 2015

Entwicklung


Die Organisation wurde 2003 bzw. Anfang 2004 von Abu Musab az-zarqawi
  gegründet (az-Zarqawi war bereits am 23. September 2003 auf die konsolidierte Liste des Al-Qaida Sanctions Committee des UN-Sicherheitsrates gesetzt worden). Az-Zarqawis Organisation wurde für den Bombenanschlag auf die United Nations Assistance Mission for Iraq im Bagdader Canal Hotel am 19. August 2003 verantwortlich gemacht, bei dem 22 Menschen (darunter Sergio Vieira de Mello ) getötet und über 100 verletzt wurden.Die Organisation trat im April 2004 als Dschamāʿat al-Tauhīd wa al-Dschihād (JTJ, Gemeinschaft für Tauhid und Dschihad) in Erscheinung; sie wurde auch Zarqawi-Gruppe bzw. Az-Zarqawi-Netzwerk genannt.

Schura-Rat der Mujahidin im Irak (2006)

Diverse dschihadistische Gruppen schlossen sich TQJBR an, und im Januar 2006 wurde unter ihrer Führung die Dachorganisation Madschlis Schura al-Mudschahidin fi 'l-Iraq(MSC, Schura-Rat der Mudschahidin im Irak) ausgerufen; zum Anführer wurde al-Baghdadi (auch Abu Omar al-Baghdadi) erklärt, bis zu Zarqawis Tod im Juni 2006 kontrollierte jedoch dieser die Organisation. Nach Zarqawis Tod übernahm Abu Ayyub al-Masri  die Leitung von TQJBR.

Islamischer Staat im Irak (2006 bis 2013)

Im Oktober 2006 benannte sich die Organisation in ad-dawla al-islāmīya fī l-ʿirāq (ISI, Islamischer Staat im Irak) um; seitdem wird ISI von einem Kabinett geleitet, in dem Masri Kriegsminister wurde.[75] Vordergründig wurde für die Ausrufung des Islamischen Staates, der als sunnitisches Territorium Bagdad sowie die Gouvernate al-Anbar , Diyala, Salah ad Din,Kirkuk,Ninawa und Teile al-Wasit und Babil umfassen sollte, auf die Autonome Region Kurdistan  für Iraks Kurden und die Verabschiedung von Iraks Föderalismusgesetz für Iraks Schiiten Bezug genommen. Die Aktivitäten von TQJBR/ISI konzentrierten sich 2006 auf Bagdad, Kerbela,Tuz Churmatu und Kufa mit ca. 440 Toten. In der zweiten Jahreshälfte 2006 wurde mit Finanzierung, Ausbildung und Bewaffnung durch die Vereinigten Staaten im Irak (zunächst in al-Anbar) die sogenannte Sahwa- oder Erweckungsbewegung ausgehoben: aus sunnitisch-arabischen Stämmen rekrutierte und in örtlichen Räten organisierte Milizen, die gegen Aufständische – und vor allem AQI – eingesetzt wurden. Zu ihren Hochzeiten hatte sie über 100.000 Mitglieder (seit dem Abzug der amerikanischen Truppen 2010 nicht mehr als 38.000); zu ihren Anführern gehörte Abdul Sattar Abu Rischa 
Im Jahr 2007 beging ISI im ganzen Irak Anschläge, oft mit Autobomben in Selbstmordattentaten, wodurch ca. 1900 Menschen getötet wurden.Anfang Oktober 2013 gaben die aufständischen Organisationen im Irak Asaeb al-Iraq al-Jihadiya und Hamas im Irak Verlautbarungen heraus, in denen sie sich von ISI distanzierten und deren Taktiken verurteilten.
Im Jahr 2008 beging ISI vor allem in Mossul Anschläge, aber auch in Bagdad, Baquba und Tal Afar mit insgesamt ca. 520 Toten. 2009 tötete ISI insgesamt ca. 630 Menschen. Mit derselben Strategie war Mossul 2008 oft Ziel von ISI; daneben wurde z. B. auch in Kirkuk ein Anschlag bei einer Schia-Moschee mit über 70 Toten verübt. 2010 wurden die meisten Anschläge von ISI in Mossul, Bagdad sowie den Gouvernements Diyala und Kerbela (unter anderem auf schiitische Pilger und auf stark besuchte Märkte) durchgeführt, dadurch wurden ca. 700 Menschen getötet.Im April 2010 kamen al-Baghdadi und al-Masri bei Tikrit  in einer durch irakische und amerikanische Truppen durchgeführten Operation ums Leben.
Mitte Mai 2010 erklärte ISI Abu Bakir al Baghdadi  zu ihrem neuen Anführer. Am 31. Oktober 2010 verübte ISI Anschläge auf die Iraker Börse sowie die Sayidat-al-Nejat-Kathedrale in Bagdad.
Im Zuge des  Arabischen Frühlings, der auch von den westlichen Ländern begrüßt wurde, kam es ab Anfang 2011 zu bewaffneten Auseinandersetzungen gegen Demonstranten. Mitte 2011 mündeten die Zustände im Bürgerkrieg in Syrien. ISI wurde laut Medienberichten von der Türkei hierbei jahrelang unterstützt.2011 verübte ISI vor allem in Bagdad sowie in den Gouvernements Kerbela und Salah ad-Din (so auf schiitische Pilger bei Samarra) Anschläge, dabei wurden ca. 320 Menschen getötet. 2012 verübte ISI vor allem in Bagdad sowie den Gouvernements Basra, Salah ad-Din und Babil Anschläge (so auf schiitische Pilger in Basra), dadurch wurden ca. 770 Menschen getötet; hierzu gehörte die Anschlagserie am 23. Juli 2012 in 19 irakischen Städten, in der 113 Menschen getötet und 250 verletzt wurden und die zur am 21. Juli von Abu Bakr al-Baghdadi angekündigten Offensive „Zerstörung der Mauern“ gehörte, die u. a. die Befreiung von Gefangenen zum Ziel hatte.
Am 26. Januar 2012 wurde ISI durch das Außenministerium der Vereinigten Staaten auf Anweisung von Außenministerin Hillary Clinton vom 11. Januar als Alias von AQI erfasst. Am 11. Februar 2012 rief al-Qaida-Anführer Aiman az-Zawahiri die Muslime im Irak, in Jordanien, im Libanon und in der Türkei zum Kampf gegen das Assad-Regime auf.[Seit ungefähr dieser Zeit beteiligt sich ISI offen am syrischen Bürgerkrieg. Dort gehörte sie neben der al-Nusra Front , mit der sie teils kollaborierte und die sie teils bekämpfte, zu den al-Qaida zugehörigen Akteuren. Am 11. Dezember 2012 erfasste das US-Außenministerium auf Anweisung vom 20. November auch die Nusra-Front als Alias von AQI.
Am 4. März 2013 verübte ISI einen Anschlag auf syrische Truppen, die in das irakische Gouvernement al-Anbar geflohen waren; dabei wurden mindestens 42 syrische Soldaten und Beamte sowie bis zu 14 Iraker getötet.

Islamischer Staat im Irak und in der Levante (April 2013 bis Mai 2014)

Im April 2013 erklärte Abu Bakr al-Baghdadi die Nusra-Front zu einem bloßen Teil von ISI und gab die Vereinigung von Nusra-Front und ISI unter dem neuen Namen Islamischer Staat im Irak und der Levante (ISIS) bekannt. Der Anführer der Nusra-Front, Abu Mohammed al-Jawlani ( ‏أبو محمد الجولاني‎), widersprach daraufhin einen Tag später der Vereinigung mit ISI, schwor aber dem al-Qaida-Anführer Aiman az-Zawahiri die Treue. Am 30. Mai 2013 wurden sowohl ISIS als auch al-Nusra durch die UN als Alias-Namen  von AQI festgestellt. Am 9. Juni 2013 veröffentlichte AL-Jazzera einen Brief von Aiman az-Zawahiri an die Anführer von ISIS und al-Nusra, in dem er die Vereinigung annullierte und zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen den beiden al-Qaida-Gruppen aufrief (wofür er Abu Musab al-Suri als Vermittler nannte) sowie beiden verschiedene Einflussgebiete zuwies (ISIS Irak, Nusra Syrien). Abu Bakr al-Baghdadi und ISIS-Sprecher Abu Mohammed al-Adnani verweigerten die Vermittlung in eigenen Botschaften; diese würde die illegitime koloniale Grenze des Sykes-Picot-Abkommen heiligsprechen; die Nusra-Front werde weiterhin als Teil von ISIS betrachtet und Abu Mohammed al-Jawlani als Abtrünniger betrachtet.
Der Hintergrund der Abspaltung des ISIL von al-Qaida liegt darin, dass al-Baghdadi, der als sehr ehrgeizig beschrieben wird, die Operationen des ISIL nicht auf den Irak beschränken wollte, sondern auch in Syrien tätig ist und in naher Zukunft in der gesamten Levante aktiv werden will. Dagegen vertritt al-Zawahiri das Motto: „Betreibst du den Jihad überall, betreibst du ihn nirgendwo“, wonach eine Konzentration der einzelnen Organisationen auf genau abgegrenzte Operationsgebiete stattfinden soll, um möglichst große Wirksamkeit zu erzielen. Die von al-Qaida abweichenden theologischen Positionen des ISIL haben sich nach der Ansicht von Beobachtern erst nach diesem Bruch entwickelt, auch um diesen Bruch zu legitimieren.
ISIS bekannte sich am 23. Juli 2013 zu den in der Nacht vom 21. auf den 22. Juli ausgeführten Anschlägen auf die irakischen Gefängnisse in Abu Ghuraib und Tadschi . ISIS tötete dabei Dutzende von Menschen mit Handfeuerwaffen, Granaten und durch von Selbstmordattentätern gesteuerte Autobomben und verhalf so Hunderten von Gefangenen, darunter hochrangigen al-Qaida-Mitgliedern, zur Flucht aus Abu-Ghuraib.
Die irakische Regierung unter Nuri al Maliki beschloss in der zweiten Jahreshälfte 2013 in Reaktion auf das Erstarken von ISIS im Irak die Wiedereinsetzung und Stärkung der Sahwa-Bewegung.
Am 29. September 2013 töteten Selbstmordattentäter mit Autobomben in Arbil (Regierungssitz von Iraks Autonomer Region Kurdistan ) in der Nähe des Asayesch -Hauptquartiers sechs Menschen und verwundeten 36. Am 6. Oktober bekannte sich ISIS zu dem Anschlag, der eine Reaktion auf Masud Barzanis angeblichen Willen gewesen sei, die Regierung in Bagdad und kurdische Kräfte, die in Syrien gegen Dschihadisten kämpfen, zu unterstützen.
Neben dem Assad-Regime gehören im syrischen Bürgerkrieg vor allem die FSA und kurdische Volksverteidigungseinheiten (YPG) zu den Gegnern von ISIS. Zu den von ISIS eingenommenen syrischen Städten zählen al-Bab, Dscharabulus, A zaz und ar-Raqqa . Am stärksten ist ISIS im Gouvernement ar-Raqqa . Dort und u. a. auch in Manbidsch kam es 2013 zu Protesten gegen ISIS.
In der zweiten Jahreshälfte 2013 baute ISIS seine Präsenz in der irakischen Stadt Mossul aus, wo die Organisation Berichten zufolge 8 Millionen US-Dollar Schutzgeld pro Monat eintrieb. Ende September 2013 begann ISIS mit Selbstmord- und Mörser-Anschlägen in Damaskus ; damit tötete sie in einem Monat etwa 100 Menschen.
Am 11. Oktober 2013 veröffentlichte Human Rights Watch einen Bericht, nach dem ISIS zusammen mit mindestens 19 anderen bewaffneten Oppositionsgruppen vom 4. bis 18. August in ländlichen Gegenden des Gouvernement Latakia an organisierten Massakern beteiligt war, bei denen mindestens 190 Zivilisten getötet und über 200 als Geiseln genommen wurden. Mindestens 67 Menschen seien in der Operation bei regierungstreuen Alawiten-Dörfern hingerichtet oder rechtswidrig getötet worden. Die fünf Gruppen, die diese Operation hauptsächlich finanziert, organisiert und ausgeführt hätten, seien Ahrar al-scham, ISIS,  Dschabahat al-Nusra,Jaish al-Muhajjireen und Suquor al-Izz. ISIS und Jaish al-Muhajireen wal-Ansar hätten noch Gewalt über die Geiseln, zu denen größtenteils Frauen und Kinder gehören.The Wall Street Journa berichtete am 17. Dezember 2013, die Geiseln seien immer noch in den Händen von ISIS und die Organisation habe Angriffe auf Alawiten und Christen verstärkt.
Am 15. Oktober 2013 gaben die türkische Streitkräfte (TSK) bekannt, mit zwei T-155 Firtina vier Granaten auf ISIS-Stellungen abgefeuert zu haben, nachdem am 14. Oktober ein Mörser-Geschoss aus der A zÄz-Region auf türkischem Territorium beim Armee-Grenzposten Demirisik nahe  Killis eingeschlagen war. Dies war der erste Angriff der türkischen Streitkräfte auf al-Qaida zugehörige Gruppierungen.
Im November 2013 gab ISIS bekannt, in Syrien ein Ausbildungslager fü minderjährige Kinderr zu unterhalten, die jüngsten davon zehn Jahre alt. Im selben Monat begannen die Vereinigten Staaten auf eine entsprechende Anfrage Malikis während eines Staatsbesuchs im Vormonat, Helfire-Raketen und Überwachungsdrohnen zur Bekämpfung von ISIS in den Irak zu schicken.[127] Ebenfalls im November kam es zur Konfrontation zwischen ISIS und Ahrar al-Scham, als ISIS einen Kommandanten von Ahrar al-Scham enthauptete, den sie irrtümlich für einen irakischen Schiiten hielt. Anfang Januar 2014 kam es wieder zu einem Vorfall, bei dem ISIS einen Kommandanten von Ahrar al-Scham tötete und verstümmelte.
Am 19. Dezember 2013 veröffentlichte Amnesty Inernational einen Bericht, dem zufolge ISIS in Syrien Geheimgefängnise unterhält, in denen systematisch Folterungen, Auspeitschungen und spontane Ermordungen durchgeführt werden.
Wegen der Massenverhaftungen und Ermordungen seitens ISIS unter den syrischen Aktivisten und Rebellen, der extremen Islamauslegung sowie der mangelnden Beteiligung an Kämpfen gegen das Regime wurde ISIS von zahlreichen Rebellengruppen unterstellt, von Kräften des Regimes unterwandert zu sein und gegen die Revolution zu arbeiten. Ein weiterer Teil der ISIS-Führung stammt aus dem Irak, die Kämpfer dienten früher als Offiziere unter Saddam Hussein und wurden aus irakischen Gefängnissen kurzfristig wieder freigelassen.Der Chef der Al-Qaida Zawahiri distanzierte sich im Februar 2014 von ISIS.

Islamischer Staat (Juni 2014 bis heute)

Mit der Ausrufung eines Kalifats am 29. Juni 2014 nennt sich die Organisation nur noch Islamischer Staat. Mitte November 2014 gab der IS in einem Statement bekannt, eine eigene Währung auf Basis von Gold- und Silbermünzen einzuführen. Das Ziel sei es, sich der „Gewaltherrschaft des Finanzysytem“ zu entziehen und „Muslime von einem globalen Wirtschaftssystem [zu] entlassen, das auf satanischem Wucher basiere“.
Mitte November 2014 wurden Auswertungen interner IS-Dokumente veröffentlicht, die belegen, dass der IS sich bemüht, staatsähnliche Strukturen aufzubauen. Nach Angaben der irakischen Regierung waren die Dokumente auf USB-Sticks und Festplatten gespeichert und am 5. Juni 2014 bei einer Razzia durch die irakische Spezialeinheit „Die Falken“ aus Bagdad im Versteck von Abdel Rahman al-Bilawy in Mossul gefunden worden. Adnan Ismail Najm (Kampfname: Abdel Rahman al-Bilawy), der bei der Razzia am 4. Juni 2014 erschossen wurde, galt als „der zweite Mann“ innerhalb des IS. Er fungierte als „Kriegsminister“ und galt außerdem als enger Vertrauter des Kalifen Baghdadi; nach dem Sturz Saddam Husseins waren sie 2003 gemeinsam im US-Militärgefängnis Camp Bucca (bei Umm Qasr)  im Süden des Iraks, welches sie „die Akademie“ nannten, inhaftiert gewesen. Einen Teil der Dokumente hatte die irakische Regierung dem Investigativteam des NDR, des WDR und der Süddeutsche Zeitung zur Verfügung gestellt. Im Juni hatte der britische Guardian bereits über den Dokumentenfund berichtet. Das ausgewertete Material stammt aus dem Jahr 2013 und reicht bis ins Frühjahr 2014. Die Unterlagen beziehen sich fast ausschließlich auf den Irak. Demzufolge seien Sozialleistungen (Krankenversicherung, Heiratsbeihilfen und Unterstützungszahlungen) für die Familien getöteter oder inhaftierter Kämpfer initiiert worden. Die Kosten für das Sozialsystem, die dort aufgeführt wurden, überstiegen bisweilen die Ausgaben für den Ankauf von Waffen. Aus den Unterlagen ergibt sich ferner, dass alle neun IS-Provinzen über einen eigenen Etat verfügen, allein der Bezirk Bagdad-Nord gab danach im November 2013 genau 493.200 Dollar aus. Das Material zeigt auch, dass zwischen den IS-Provinzen zudem ein Finanzausgleich stattfindet, bei dem reiche Bezirke an ärmere Zahlungen leisten.
Laut dem Politikwissenschaftler Peter Neumann, Professor am Kings Collewge London, setze der IS, vermutlich mehr als jede andere Terrororganisation vor ihr, ganz systematisch den Terror als Mittel der Kriegsführung ein: „Diese Dokumente bestätigen im Prinzip, dass diese gesamte Organisation eigentlich viel rationaler und viel durchdachter ist, als wir uns das bisher vorgestellt haben.“ Für die Bundesregierung analysierte der Bundesnachrichtendienst: Anders als al-Qaida biete der IS das Leben in einem Kalifat. Dies mache ihn für Muslime in aller Welt hochattraktiv und sei einer der Gründe, warum der IS „eine größere Herausforderung für die westliche Staatengemeinschaft“ darstelle als al-Qaida.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen